Geschichte des Stifts Reichersberg
Seit mehr als 900 Jahren wirken die Augustiner-Chorherren in Reichersberg
Von den Anfängen – Gründung des Augustiner-Chorherrenstifts Reichersberg
Der Überlieferung zufolge wurde das Augustiner-Chorherrenstift Reichersberg im Jahr 1084 gegründet. Nach dem frühen Tod ihres einzigen Sohnes Gebhard – er soll im Inn ertrunken sein – stifteten Wernher und Dietburga von Reichersberg an ihrer Burg ein Kloster. Sie erwählten den hl. Erzengel Michael zum Patron des Klosters. Der Rat, Augustiner-Chorherren nach Reichersberg zu holen, kam wohl von Erzbischof Gebhard von Salzburg (1010 - 1088), dem Schwager des Stifters. Die ersten Chorherren kamen aus Sachsen. Auch der Stifter selbst trat nach dem Tod seiner Frau in das neugegründete Stift ein. Noch heute versammeln sich die Konventmitglieder an seinem Todestag, dem 5. Oktober, zum Stifterrequiem.
Die Klosteranlage – ein barockes Juwel
Die ersten Jahrzehnte des neugegründeten Stifts Reichersberg waren von Unsicherheiten und Gefährdungen geprägt. Erst unter der Leitung von Propst Gerhoch (1132 – 1169) erlebte das Haus seine erste Blütezeit. Der Salzburger Erzbischof Konrad I. (1075 – 1147) übertrug damals den Chorherren ein Seelsorgegebiet im südlichen Niederösterreich, an der ehemals ungarischen Grenze: die damalige Großpfarre Bromberg. Eine Weichenstellung, die das Stift bis in die Gegenwart prägt. Noch heute betreuen die Chorherren des Stifts Pfarren in diesem Gebiet. Zeiten der Blüte und des Niedergangs wechselten sich im Laufe der darauffolgenden Jahrhunderte ab. 1624 fiel die relativ kleine romanisch-gotische Klosteranlage einem verheerenden Brand zum Opfer und wurde komplett zerstört. Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde sie durch den barocken Neubau ersetzt, der heute zu den bedeutendsten Barockbauten Oberösterreichs zählt. Im 18. Jahrhundert wurde das Stift von namhaften Künstlern der Zeit ausgestaltet: Freskierung des Kirchengewölbes durch den Münchner Hofmaler Christian Wink (1738 – 1797), Seitenaltäre aus Stuckmarmor von Johann Bapt. Modler (1697 – 1774), Neubau der Sakristei mit der Stuckdecke von Franz Josef Ignaz Holzinger(1691 – 1775), Stuckierung des nach ihm benannten Saales und des Sommerrefektoriums durch Giovanni Bapt. Carlone (ca. 1641 – ca. 1720 ), Freskierung des Augustinisaals durch Johann Abert sowie des Bayerischen Saals und der Bibliothek durch den Münchner Hofmaler Johann Nepomuk Schöpf (1733 – 1798). In dieser Zeit wurde auch der Michaelsbrunnen – benannt nach dem Patron des Klosters – im äußeren Stiftshof errichtet. Die Anlage, die sich um zwei Höfe gruppiert, besticht als architektonisches Kleinod. Die Architektur vermittelt aufgrund ihres überschaubaren Charakters das Gefühl des Familiären und der Geborgenheit. Vor allem der äußere Stiftshof bietet mit seinen Arkadengängen, dem marmornen Michaelsbrunnen und den zwiebelbekrönten Erkern einen einladend freundlichen Anblick.
Das Stift Reichersberg in Zeiten von Säkularisation und Josephinismus
Durch die Abtretung des Innviertels an Österreich („Frieden von Teschen“, 1779) entging das bis dato bayerische Stift der Säkularisation, musste aber in den Franzosenkriegen schwer um seine Existenz kämpfen: 1809 fiel das Stift an die Franzosen, anschließend wieder an Bayern bis es im April 1816 endgültig wieder österreichisch und unter Administration gesetzt wurde. Trotz großer materieller und personeller Not war von nun an wieder ein reguläres klösterliches Leben möglich.
Das Stift Reichersberg während der beiden Weltkriege
Schwierige Zeiten für die Augustiner-Chorherren in Reichersberg waren auch die beiden Weltkriege und die NS-Zeit. Während des Zweiten Weltkriegs diente das Stift als Kaserne und musste eine Fliegerschule aufnehmen. Eine Aufhebung konnte jedoch verhindert werden. Stift Reichersberg kann somit auf über 900 Jahre ununterbrochenes Bestehen zurückblicken. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war schließlich von einem großen wirtschaftlichen und personellen Aufschwung geprägt.
Vermächtnis und Aufgabe – mehr als 900 Jahre Stift Reichersberg
Seit mehr als 900 Jahren – in Zeiten von Blüte und Niedergang – leben und wirken die Augustiner-Chorherren in Reichersberg. Als Priestergemeinschaft wissen sie sich der Seelsorge verpflichtet. Sie betreuen heute elf Pfarren, die seit jeher zum Stift gehören. Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden den Reichersberger Chorherren vom Bischof der Diözese Linz und auch in der Erzdiözese Wien zudem weitere Pfarreien zur Seelsorge anvertraut. In den Räumlichkeiten des Außenhofs ist seit 1969 ein Bildungszentrum untergebracht. Hier werden im Bereich der Erwachsenenbildung sowohl Kurse und Seminare im Kreativbereich als auch im spirituellen, lebensbegleitenden Bereich angeboten. Ebenso finden sich Übernachtungsmöglichkeiten im Stift und ein Veranstaltungszentrum. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Stift zu einem pulsierenden Kulturzentrum im österreichischen Innviertel entwickelt und erstrahlt heute in neuem Glanz. Die alten Orden erbrachten im Lauf der Jahrhunderte große Leistungen auf religiösem, wissenschaftlichem, kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet. Dieses Erbe der Vorfahren zu hüten und den geänderten Verhältnissen entsprechend nachhaltig weiterzuführen – das sehen die Chorherren als Vermächtnis und Aufgabe.